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Nach der Wertdiskussion?

hrsg. von Kai Eicker-Wolf, Torsten Niechoj und Dorothee Wolf

176 Seiten, UKB 7 €

AnlaßKlappentextInhaltsverzeichnisArtikelzusammenfassungenRezension von G. FülberthRezension von M. SchratzenstallerBezug

Aus gegebenen Anlaß...

Der Band "Nach der Wertdiskussion?" ist das verschriftlichte Ergebnis eines Workshops im Juni 1998 an der Philipps-Universität Marburg.

Knapp formuliert könnte man sagen: Es sollte ausgelotet werden, ob die vielfach als dogmengeschichtliche Fußnote behandelte objektive Werttheorie in modifizierter Form Erklärungskraft für frühere und heutige Verhältnisse hat.

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Klappentext

Die gut hundertjährige Auseinandersetzung über das Problem der Transformation von Werten in Preise im Kapital gilt als abgeschlossen: Zwar ist die originär Marxsche Lösung nicht konsistent, doch ist der Vorschlag, der mit dem Namen von Bortkiewicz verbunden wird, als grundlegende Berichtigung anerkannt. Im Anschluß an Sraffas Warenproduktion mittels Waren (1960) hat sich dann im Rahmen der Diskussion um das Transformationsproblem die Auffassung durchgesetzt, daß Werte zur Bestimmung des Produktionspreissystems nicht unbedingt erforderlich, d. h. redundant sind.

Der hier vorgelegte Band versammelt Beiträge, die keine Revision der benannten Ergebnisse anbieten und doch eine Neueröffnung der Wertdiskussion nahelegen, denn auch gegen die auf Sraffa fußende Neoricardianische Theorie lassen sich gewichtige Einwände geltend machen. Darüber hinaus wird diskutiert, ob der Bezug auf akteurs- und institutionentheoretische Überlegungen es ermöglicht, unabhängig vom Transformationsproblem die Marxsche Theorie für die Erklärung von gesellschaftlich-politischer Entwicklung zu nutzen.

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Inhaltsverzeichnis

  • Vorwort
  • Kai Eicker-Wolf, Torsten Niechoj und Dorothee Wolf
    Nach der Wertdiskussion?
  • Friedrun Quaas
    Die »endgültige« Lösung des Transformationsproblems und ihre Bedeutung für das Verständnis des Marxschen Werkes
  • Georg Quaas
    Kritik der werttheoretischen Basis des neoricardianischen Modells
  • Fritz Helmedag
    Warenproduktion mittels Arbeit oder Die Neueröffnung der Debatte
  • Georg Stamatis
    On the quantitative relation between labour values and production prices
  • Hans-Jörg Schimmel
    Objektivität der Wertkonstitution und das Verhalten ökonomischer Akteure
  • Jens Weiß
    Arbeitswerttheorie und Politische Ökonomie
  • Autorinnen und Autoren
  • Zusammenfassungen der Artikel

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Artikelzusammenfassungen

Kai Eicker-Wolf, Torsten Niechoj und Dorothee Wolf
Nach der Wertdiskussion?

Der Beitrag faßt zunächst die »erste« Wertdiskussion zusammen: Marx zufolge ist es seinen werttheoretischen Vorgängern Ricardo und Smith nicht gelungen, den Profit aus Arbeit abzuleiten; mit der Einführung des Produktionspreissystems hat er aber selbst keinen konsistenten Übergang von der Wert- zur Preisebene vollzogen. Bortkiewicz hat für das somit benannte Transformationsproblem des Kapital allerdings einen Lösungsvorschlag gemacht. Im Zuge der neoklassischen Wende in der Wirtschaftstheorie wurde der Bezug auf Arbeitswerte zugunsten Angebot und Nachfrage aufgegeben. Sraffa hat im Gegensatz dazu die These untermauert, daß Preise unabhängig von der Nachfrage gebildet werden; allerdings nimmt er hierfür nicht Bezug auf Arbeitswerte, sondern auf Produktionskoeffizienten. Die Folgerung, daß auf eine arbeitswerttheoretische Fundierung der Produktionspreise verzichtet werden kann, hat die Wertdiskussion einem -- vorläufigen -- Ende zugeführt. Daß dieser Ansatz aber seinerseits Probleme mit sich bringt und Marx zudem nicht endgültig widerlegt worden ist, sollte zum Anlaß genommen werden, die Debatte in Form einer »zweiten« Wertdiskussion wieder aufzunehmen. Ausgehend hiervon gibt der Artikel einen Überblick über die Beiträge dieses Bandes.

Fritz Helmedag:
Warenproduktion mittels Arbeit oder Die Neueröffnung der Debatte

Ausgehend von der Dmitriev-Bedingung, wonach Produktionspreise zumindest die Stückkosten decken müssen, werden die alternativen Verfahren zur Kalkulation solcher Preise unter die Lupe genommen. Es zeigt sich, daß allein die Verteilung des Profits in Proportion zur einzig nicht im System erzeugten Ressource, der Arbeit, mit der angenommenen Sektorengliederung kompatibel ist. Die Arbeitswertrechnung meistert die Aufgaben, die eine tragfähige Produktionspreistheorie zu erfüllen hat. Dies bestätigt die Würdigung von Kritikpunkten, die gegen die Analyse erhoben worden sind. Anschließend werden einige Auswirkungen der Werttheorie in ihrer Eigenschaft als Grundgesetz der Ökonomik beleuchtet.

Friedrun Quaas:
Die »endgültige« Lösung des Transformationsproblems und ihre Bedeutung für das Verständnis des Marxschen Werkes

Die Debatte um das Transformationsproblem, verstanden als Frage nach dem mathematisch korrekten und ökonomisch sinnvollen Zusammenhang zwischen Wert und Produktionspreis, hat klargestellt, daß Marx keine akzeptable Lösung vorgelegt hat. Die von vielen Teilnehmern an der Diskussion im Anschluß an Mühlpfordt und Bortkiewicz eingebrachten konsistenten Lösungen können als eine Korrektur der Marxschen Lösung aufgefaßt werden, die der Arbeitswerttheorie immanent bleibt. In diesem Sinne ist das Transformationsproblem, spätestens seitdem Seton eine Lösung für den n-sektoralen Fall vorgelegt hat, als gelöst zu betrachten. Auch wenn die Diskussion danach fortgesetzt wurde, befinden wir uns in einer theoretischen Sachlage, in der keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse mehr zu erwarten sind; die Möglichkeit einer konsistenten Wert-Preis-Transformation ist nachgewiesen worden, und der Zweifel an dieser Möglichkeit war es, der vor über hundert Jahren das Transformationsproblem inhaltlich begründete. Eines der Resultate der Diskussion -- der gescheiterte Versuch, die Arbeitswerttheorie aus logischen Gründen zu falsifizieren -- lenkt den Blickwinkel nun auf die empirische Bewährung der Arbeitswerttheorie.

Georg Quaas:
Kritik der werttheoretischen Basis des neoricardianischen Modells

Gegenstand der Kritik ist die von Bertram Schefold in seinen Nachworten zur deutschen Ausgabe von Piero Sraffas Werk »Warenproduktion mittels Waren« gelieferte werttheoretische Interpretation des neoricardianischen Modells, durch die letzteres als eine Weiterentwicklung der klassischen Werttheorie erscheint. Richtiggestellt wird u. a. die Behauptung, daß die Marxsche Werttheorie ein Spezialfall ist, der von Sraffas Theorie abgedeckt wird, und zwar mit größerer Genauigkeit. Es wird gezeigt, daß die für die Arbeitswertlehre wesentliche Determination des Werts durch die Arbeitszeiten im neoricardianischen Modell stillschweigend durch das grobe Raster der Arbeitskräftezahlen ersetzt wird. Dabei gehen Differenzierungen verloren, die durch die übliche Modellannahme »homogene Arbeit« nicht gedeckt sind. Insbesondere leidet die Genauigkeit, wenn die Meßgröße der tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten durch die Anzahl der Beschäftigten ersetzt wird. Begriffliche Differenzierungen, zu denen die theoriegeschichtliche Entwicklung im 19. Jahrhundert bereits geführt hatte und die den Arbeiten von W. Mühlpfordt und L. v. Bort-kiewicz zum Transformationsproblem zugrunde lagen, können durch Sraffas Modell nicht erfaßt werden. Insofern es dem neoricardianischen Modell an einer adäquaten werttheoretischen Basis mangelt, kann von einem Beitrag zur Lösung jenes Problems keine Rede sein: Ein solcher Beitrag liegt nur vor, wenn Werte in Preise (oder umgekehrt) transformiert werden. Dort, wo Werte überhaupt nicht erfaßt werden, kann auch keine Transformation vorliegen.

Hans-Jörg Schimmel:
Objektivität der Wertkonstitution und das Verhalten ökonomischer Akteure

Im vorliegenden Beitrag habe ich mir das Ziel gestellt, den in der marxistischen Werttheorie gängig verwendeten Wertbegriff zu hinterfragen. Nach einigen erkenntnistheoretischen Vorbemerkungen stelle ich der Marxschen Wertformanalyse eine Analyse der Entwicklung der Vorstellung von »Wert« im menschlichen Bewußtsein gegenüber.

Von dieser Ausgangsposition aus versuche ich, den Wertbegriff weiter zu erschließen und betone die Bedeutung sowohl des Geldes als auch des ökonomischen Akteurs für die Herausbildung des Wertes. Am Beispiel des Transformationsproblems versuche ich das Dilemma aufzuzeigen, in das die Vernachlässigung dieser Aspekte führt.

Im Schlußabschnitt bemühe ich mich, einige Konsequenzen für die ökonomische Wissenschaft zu benennen.

Georg Stamatis:
On the quantitative relation between labour values and production prices

In the present article we show that-even under the condition of the existence of homogeneous labour-as a rule there is not a one-to-one relation between unambiguously determined positive labour values (which emerge, for the given production technique, from the definition of the labour value of a commodity) and unambiguously determined positive production prices (which emerge, for the given production technique and the given general profit rate or, correspondingly, the given general nominal wage rate, from the definition of the production price of a commodity) and that-for precisely this reason-production prices cannot be deduced from labour values. We also show that abandoning the concepts of homogeneous labour, the labour value of a commodity and the production price of a commodity in no way compromises the Marxian theory of capitalist exploitation.

Jens Weiß:
Arbeitswerttheorie und Politische Ökonomie

In this article it is argued, that a political science which wants to be based on Marxian economics, will better refer to his remarks on what today is called institutional economics than to his labour theory of value. To show this, at first the suggestion is made to understand Political Economy (in contrast to Political Economics) as a reality of social organization. Then the relevance of the labour theory of value is tested for four issues which link political and economic theory.

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Rezension "Wo Marx einen Bock schoß" von Georg Fülberth

erschienen in: junge Welt Nr. 95, 24./25.4.1999, Beilage Faulheit und Arbeit, S. 5

"Bekanntlich gibt es wissenschaftliche Streitfragen, die ein für allemal erledigt, weil bis zu einem rationalen Ende geführt sind. Niemand glaubt mehr an den Stoff Phlogiston oder an einen Äther, der im Universum rauscht. Auch positive oder negative Gottesbeweise können spätestens nach Kant wohl nicht mehr angestellt werden.

Daneben gibt es in Natur- und Gesellschaftswissenschaften Kontroversen, die sich immer wieder erneuerten -- nicht weil ihr Problem unlösbar wäre, sondern weil es noch lange ungelöst war und seine etwaige Unlösbarkeit noch nicht bewiesen ist. Einsteins späte Kämpfe könnten ein Beispiel sein. Oder die lange Zeit unbeantwortete Frage, ob der Mensch fliegen kann.

Ein berühmter Fall in den Gesellschaftswissenschaften ist das Wert-Preis-Transformationsproblem bei Marx.

Wir erinnern uns: Der erste Satz des "Kapital" lehrt uns, daß Gesellschaften, in denen kapitalistische Produktionsweise herrscht, als eine ungeheure Warensammlung erscheinen. Analysieren wir die Waren, kommen wir auf ihren Wert, der in gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit besteht. Darum heißt er Arbeitswert. Störend ist für diesen Befund der Profit, denn er scheint arbeitsloses Einkommen zu sein. Marx löst das Problem, indem er ihn als Mehr-Arbeit = Mehrwert definiert. Im dritten Band des "Kapital" versucht er zu zeigen, wie die Arbeitswerte sich in den Preisen darstellen: mithilfe einer Durchschnittsprofitrate, die auf die Kosten (den Kostpreis) draufgeschlagen wird.

Bekanntlich hat Marx da einen Bock geschossen: der Kostpreis besteht nur aus Arbeitswerten, der Durchschnittsprofit aber wird durch das Hin- und Herwandern des Kapitals zwischen den Branchen gebildet, also nicht nur durch Arbeit, sondern auch durch Marktvorgänge. Damit werden Äpfel und Birnen addiert, und es ist Essig mit der reinen Arbeitswertlehre.

Bald nach der Jahrhundertwende fand der Professor Ladislaus von Bortkiewicz, das müsse nicht sein. Er korrigierte Marx´ Rechenfehler und befand schließlich, damit könne die Arbeitswertlehre schon bestehen bleiben.

Auf etwas fiese Art setzten seit den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts die Jünger des Ökonomen und Gramsci-Freundes Piero Sraffa -- die "Neoricardianer" -- dieses salomonische Verfahren fort. Sie verkündeten, Marx´ Mehrwertlehre sei nicht falsch, aber "redundant": man könne auf sie verzichten, wenn man die besondere Wertkonstruktion, die ihr Meister in seinem 1960 erstmals erschienenen Büchlein "Warenproduktion mittels Waren" vorschlug, anwendet. Damit schien Marx beiseitegeschoben, während die Lehre der Neoklassiker, welche ihre Preise bekanntlich nur auf dem Markt, nicht in der Produktion bilden, von Sraffa bereits in den zwanziger Jahren tatsächlich wirkungsvoll widerlegt worden war. Sie ist nicht etwa redundant, sondern falsch. Für Marx ist das Ergebnis aber dennoch nicht schön.

Da kam, 1992, Fritz Helmedag. Er ist heute Professor für Volkswirtschaftslehre in Chemnitz und hatte in seiner Aachener Habilitationsschrift den Nachweis zu führen versucht, daß Sraffas Konstruktion des Waren-Werts in einer arbeitsteiligen Gesellschaft gar nicht funktionieren könne. Dieselbe Kritik hatte er an Ricardo und an Marx. Der gemeinsame Fehler bestehe in der Orientierung an der Profitrate. Also wieder Pech für Marx.

Aber nur für den Autor des dritten Bandes des "Kapital", nicht des ersten. Helmedag unternahm nämlich zugleich eine Rehabilitation des Arbeitswertes, wie er dort hergeleitet worden war. Eine Profitrate gibt es im ersten Band bekanntlich nicht.

Helmedags Vorstoß führte zu wütenden Reaktionen bei den Neoricardianern. Seitdem beharkt man sich aufs schärfste in den "Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik".

Im Ton verbindlicher, aber in der Sache auch ziemlich hart ist die Auseinandersetzung Helmedags mit Theoretiker(inne)n, die erstens ebenfalls den spezifischen Marxschen Transformationsweg kritisieren, zweitens an der Konstruktion einer einheitlichen Profitrate festhalten und drittens Sraffas Konstruktion entweder für nicht ausreichend oder für zumindest in Teilbereichen fehlerhaft halten. Hierzu gehören Georg und Friedrun Quaas in Leipzig.

Eine 1997 in Marburg gegründete "Forschungsgruppe Politische Ökonomie" nahm die Witterung dieser Kontroverse auf und lud 1998 zu einem Workshop mit dem Titel "Nach der Werttheorie?" ein.

Zu den Teilnehmern gehörte neben Helmedag und Quaas/Quaas auch Georg Stamatis (Athen). Er vertritt die Auffassung, daß die Arbeitswerttheorie und die Vorstellung von der Ausbeutung durch die Fehlerhaftigkeit von Marx´ Transformationsversuch nicht ausgehebelt werden. Allerdings sei es dann auch nötig herauszufinden, wie die in Wirklichkeit ja sehr unterschiedlichen Arbeitswerte als einheitliche dargestellt werden können. Überraschendes berichtete Ralf Blendowske (Aalen) über den angelsächsischen Bereich: Dort haben Emmanuel Farjoun, Moshe Machover, W. Paul Cockshott, Allin Cottrell und G. Michaelson bereits seit den achtziger Jahren empirische Befunde vorgelegt, die, folgt man ihrer Berechnungsmethode, eher für Marx´ Auffassung aus dem ersten Band des "Kapital" sprechen. Grund genug -- so der Referent -- , solche Untersuchungen auch für die Bundesrepublik anzustellen.

Punktgenau von hinten durch die Brust ins Auge trafen Hans-Jörg Schimmel (Berlin) und Jens Weiß (Marburg). Von unterschiedlichen Ausgangspunkten her wandten sie sich gegen eine ökonomistische Verkürzung des Problems. Schimmel hält es für unabdingbar, von Anfang an die Rolle des menschlichen Bewußtseins bei der Konstruktion des Werts zu berücksichtigen, nach Weiß sind wichtiger als die unterschiedlichen Methoden der Wertberechnung die Entscheidungen von Akteuren und die Bedingungen, die durch Institutionen gesetzt werden.

Die meisten Beiträge der Marburger Tagung liegen jetzt in einem Sammelband vor. Wer mit dem Problem noch nicht genügend vertraut ist, wird die instruktive Einleitung zusätzlich zu schätzen wissen.

Es tut sich also etwas. Die erste Wert-Diskussion hat im Grunde schon mit Engels´ Vorwort zum zweiten Band des "Kapital" 1885 begonnen und ca. hundert Jahre gedauert. Falls es ein zweites Jahrhundert dieser Debatte geben sollte, hat es gerade begonnen. Wenn Sie jetzt einsteigen, können Sie sagen, Sie seien dabeigewesen."

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Rezension "Konsistente Werttheorie und das Transformationsproblem" von Margit Schratzenstaller

erschienen in: Sozialismus 2/2000, S. 27--28

"Nach der Wertdiskussion" sei -- so die Position von HerausgeberInnen und AutorInnen dieses Tagungsbandes -- im Grunde genommen auch "vor der Wertdiskussion". Einer Wertdiskussion nämlich, die gewissermaßen im zweiten Anlauf versucht, das Transformationsproblem endgültig zu lösen bzw. bisher bestehende Widersprüchlichkeiten aufzuklären, denn es sei "offensichtlich möglich, die über hundertjährige Diskussion des Wertproblems einerseits als abgeschlossen zu betrachten und sie andererseits -- ohne redundante Wiederholung längst abgehandelter Positionen -- neu zu eröffnen." (17)

Die ersten vier Beiträge des Bandes, welcher der vergangenes Jahr in Marburg abgehaltenen Tagung "Nach der Wertdiskussion?" entspringt, befassen sich aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive mit der Bedeutung des Transformationsproblems bzw. den Unzulänglichkeiten bisheriger Lösungsansätze. Mit Friedrun Quaas, Georg Quaas, Fritz Helmedag und Georg Stamatis trafen auf der Marburger Tagung vier DiskutantInnen aufeinander, die sich seit Jahren via "Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik" bzw. "Cambridge Journal of Economics" entweder gegenseitig zu widerlegen versuchen oder sich mit konträren Positionen Dritter zur Werttheorie auseinandersetzen. Einig ist man sich lediglich in der grundsätzlichen Ablehnung der neoklassischen Warenpreisbildung, die einer werttheoretischen Fundierung im Prinzip entbehrt und den Angebots- und Nachfrageverhältnissen auf den Faktor- und Gütermärkten entspricht.

F. Quaas, die letztlich zeigen will, "daß und warum der Bezug auf das Transformationsprob-lem nicht hinreichend ist, um die Marxsche Arbeitswerttheorie zu falsifizieren" (21), geht der Frage nach, weshalb die Lösung des Transformationsproblems für die Marxsche Theorie im allgemeinen und die Werttheorie im besonderen von Belang ist. Zunächst definiert sie das Transformationsproblem -- dessen Formulierung alleine schon nicht unumstritten ist -- in dem Sinne, daß es sich neben verschiedenen qualitativen Aspekten vor allem auf die Frage beziehe, wie sich aus Werten von Waren deren Preise ergeben und wie sich diese beiden Größen zueinander verhalten. Bei Marx' Lösung dieser Frage ergeben sich logische Inkonsistenzen mit anderen Teilen seines Werks. V.a. stehe das Gesetz der einheitlichen Profitrate zwischen den Branchen in Widerspruch zu Marx' theoretischer Ableitung der Wert-Preis-Transformation. Dies sei jedoch kein Grund, wie beispielsweise Eugen von Böhm-Bawerk dies gleich nach Erscheinen des Dritten Bandes des "Kapital" getan habe, die Marxsche Mehrwerttheorie als völlig falsch darzustellen und damit das ganze Werk Marx' zu diskreditieren.

G. Quaas richtet seine Kritik gegen die neoricardianische Werttheorie, genauer gegen den von Piero Sraffa 1960 in seinem Buch "Warenproduktion mittels Waren" formulierten, auf Ricardo aufbauenden werttheoretischen Ansatz. Er leitet zunächst mathematisch her, wie die Einbeziehung impliziter und expliziter Arbeit nach Sraffa in die Preisgleichungen vorgenommen wird. Es folgt eine "mathematische Modellierung der Werttheorie" (53 ff.), wie sie aussehen sollte, um anhand dieser modellhaften Darstellung die Sraffaschen Defizite -- oder vielmehr diejenigen in der Rezeption von Bertram Schefold (in den Nachworten zu "Waren-produktion mittels Waren" von 1976) -- aufzuzeigen: Die Vereinfachungen bei der quantitativen Erfassung der Arbeit als wertstiftenden Faktor, etwa durch die Annahme der Homogenität der Arbeitskräfte bzw. der von diesen geleisteten Arbeit oder dadurch, daß statt der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden die Näherungsgröße "Zahl der Arbeitskräfte" verwendet wird.

Helmedag greift einen anderen Aspekt der Wertdiskussion heraus, indem er sein gelegentlich bereits an anderer Stelle geäußertes Plädoyer für die Marxsche Arbeitswerttheorie erneuert, als "eine verläßliche und vielversprechende Grundlage für die (Kritik der) Politische(n) Ökonomie." Die Annahmen der Neoklassiker über die Produktionspreisbildung, d.h. die Bestimmung der wertmäßigen Grundlage, auf der sich die Preise der Waren bilden, seien ebenso ungeeignet wie diejenigen der Neoricardianer und der Klassiker (zu denen Helmedag auch Marx zählt). Stütze man sich hingegen auf die Arbeitswertlehre gemäß Kapital Band 1 als Basis der Tauschwerte, seien "Paradoxa und Anomalien (...), welche die klassische und neoricardianische Kalkulation in arge Bedrängnis bringen" (75), vermeidbar, etwa die Auseinandersetzung um einen Ausgleich der Profitraten.

Im Beitrag von Stamatis wird die These dagegen gestellt, daß die Ableitung von Produktionspreisen aus Arbeitswerten nicht möglich sei, denn beide Größen stünden nicht in einer Eins-zu-Eins-Beziehung. Die Verwendung multidimensionaler Mengen von heterogener Arbeitskraft gestatte keine umstandslose Transformation in einen eindimensionalen Waren-preis, der in Geld ausgedrückt wird. Ein weiteres Problem sei, daß der Ausgleich der Profitraten keineswegs notwendigerweise zu beobachten sei. Doch sieht auch Stamatis darin keine Veranlassung, die Gültigkeit der Arbeitswerttheorie deshalb zu bestreiten und das Marx-sche Konzept der kapitalistischen Ausbeutung zu verwerfen.

Die rein ökonomische Betrachtungsweise ist den Autoren der beiden abschließenden Artikel, Hans-Jörg Schimmel und Jens Weiß, zu eingeschränkt. "Ökonomie ist die Wissenschaft vom Wert" (128), stellt Schimmel einleitend fest. Statt jedoch die Existenz von Werten als gegeben hinzunehmen und sich von einer rein mathematisch-formallogischen Warte aus auf ihre Ableitung oder Errechnung zu konzentrieren, versucht Schimmel darzustellen, wie sich Vorstellungen und Anschauungen über den Wert im menschlichen Bewußtsein herausbilden. "Wert ist eine Quantitätsgröße, die eine Ware nicht einfach ‚hat', sondern die ihr durch die ökonomischen Akteure zugewiesen wird." (136) Damit gerate auch die Basis des Transformationsproblems ins Schwanken, denn zwischen Wert und Preis einer Ware könne es keine allgemeingültigen und eindeutigen Beziehungen geben.

Weiß stellt in seinem Beitrag heraus, daß bis in die Jetztzeit Marx-Interpretationen den institutionenökonomischen Aspekt völlig vernachlässigen und daß nur der arbeitswerttheoretische Ansatz Beachtung finde. Dabei mangele es der Arbeitswerttheorie an einer überzeugenden theoretischen Fundierung; zur Erklärung politischen Handelns sei sie "bestenfalls redundant." (161) Institutionenökonomische Grundideen seien hingegen in Marx' Werk durchaus angelegt und könnten innerhalb des Programms der modernen Politischen Ökonomie nutzbar gemacht werden.

Auch wenn sicherlich den meisten LeserInnen dieses Tagungsbandes viele der oft nur angerissenen Kontroversen und Streitfragen nur oberflächlich -- wenn überhaupt -- bekannt sind (die Einführung der HerausgeberInnen bietet hier eine hilfreiche Orientierungshilfe) und die Ausführungen streckenweise recht abstrakt und mathematisch anspruchsvoll unterfüttert: Der Tagungsband vereinigt vermutlich so ziemlich alle deutschsprachigen WissenschaftlerInnen, die sich derzeit mit dem Transformationsproblem und einer Formulierung einer konsistenten Werttheorie befassen, und ist daher allen an diesem Thema Interessierten anzuempfehlen. Es ist außerdem zu hoffen, daß die Beiträge einen Anstoß für weitere Auseinandersetzungen auf diesem Forschungsgebiet geben können -- die in den einzelnen Artikeln deutlich zu Tage tretenden konträren Auffassungen dürften auf jeden Fall genug Stoff für weitere fruchtbare Diskussionen liefern."

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Bezug

Der Band umfasst 176 Seiten und kann gegen einen Unkostenbeitrag von 7 € zuzüglich Porto (0,77 €) bei der Forschungsgruppe bezogen werden. Hier finden Sie unser Bestellformular...

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  WebbearbeiterIn, 10.02.2002 (erste Fassung: 10.02.2002) Zum SeitenanfangZur StartseiteE-Mail an die Forschungsgruppe